Grundsätze
Die folgenden Grundsätze für einen zukunftsfähigen Ernährungsstil wurden konzipiert, um zur Lösung der dargestellten ökologischen, ökonomischen, sozialen und gesundheitlichen Probleme gleichzeitig beizutragen. Sie sind hier nach ökologischer Priorität geordnet, d. h. absteigend nach Einsparpotential an Treibhausgasemissionen. Beruhigend ist, dass die verschiedenen Betrachtungsebenen nicht etwa zu sich gegenseitig ausschließenden Folgerungen und Empfehlungen führen, sondern zu einer in sich schlüssigen Konzeption.
Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung
(nach v. Koerber et. al. 2012)
1. Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel
Die derzeitige Ernährungssituation in Deutschland ist einerseits durch eine zu hohe Fettzufuhr und eine sehr hohe Proteinaufnahme gekennzeichnet. Andererseits besteht eine zu niedrige Aufnahme an komplexen Kohlenhydraten und Ballaststoffen. Kohlenhydrate kommen fast nur in pflanzlichen Lebensmitteln vor (einzige Ausnahme ist der Milchzucker in Milch und etwas Glykogen in Muskelfleisch), dagegen enthalten tierische Lebensmittel häufig viel Fett und Protein. Die logische Konsequenz hieraus ist, pflanzliche Lebensmittel in den Vordergrund zu stellen und den Verzehr tierischer Lebensmittel zu vermindern.
Pflanzliche Lebensmittel weisen in der Regel ein günstiges Verhältnis von essenziellen (lebens- und zufuhrnotwendigen) Nährstoffen zur Nahrungsenergie auf (hohe Nährstoffdichte). Mit relativ wenig Nahrungsenergie können damit reichlich essenzielle Nährstoffe aufgenommen werden. Dem gegenüber enthalten tierische Lebensmittel teilweise erhebliche Mengen problematischer Inhaltsstoffe, wie gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und Purine.
Bestimmte gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe werden nur von Pflanzen gebildet, nämlich Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Sekundäre Pflanzenstoffe finden sich allerdings in geringer Menge auch in tierischen Lebensmitteln, weil sie von Tieren über das pflanzliche Futter aufgenommen werden (z. B. Beta-Carotin als farbgebende Substanz – "das Gelbe vom Ei" und in Butter). Eine für die Gesunderhaltung wünschenswert hohe Zufuhr dieser Stoffe gelingt folglich nur mit einer überwiegend lakto-vegetabilen, gering verarbeiteten Kost.
Die größten Möglichkeiten zur Verminderung von ökologischen Belastungen im gesamten Ernährungssystem liegen in einer deutlichen Reduzierung des Anteils tierischer Lebensmittel, insbesondere von Fleisch (und hier wiederum in verstärktem Maße von Rindfleisch). Dadurch ließe sich der Ausstoß an CO 2-Äquivalenten schätzungsweise um 100 Mio. t pro Jahr reduzieren, was knapp 40 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen des Ernährungssystems entspricht.
Bei der Umwandlung von pflanzlichem Futter-Protein in tierisches Protein entstehen erhebliche Veredelungsverluste. Durchschnittlich gehen 65- 90 % der Nahrungsenergie und des Proteins pflanzlicher Futtermittel bei der Umwandlung zu tierischen Produkten verloren, d. h. nur etwa 10- 35 % der eingesetzten Futtermittel bleiben in Form tierischer Erzeugnisse "erhalten". Das Tier benötigt den größten Teil der Nahrungsenergie und der Nährstoffe für den eigenen Stoffwechsel sowie für den Aufbau nicht-fleischliefernder Gewebe.
Eine Lösung des Welternährungsproblems ist daher praktisch nicht möglich, wenn viele Menschen einen hohen Anteil tierischer Lebensmittel in ihrer Kost beanspruchen. Ein geringerer Verzehr tierischer Lebensmittel bzw. die Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel bedeutet somit einen Beitrag zu einer weltweit gerechteren Verteilung der Nahrung.
Bei geringerem Verzehr tierischer Lebensmittel – und somit niedrigeren Veredelungsverlusten – werden nicht so viele Futterpflanzen benötigt, womit der vermeintlich hohe Produktionsdruck durch Intensivlandwirtschaft entfällt. Dies bedeutet eine starke ökologische Entlastung bezüglich des Primärenergieverbrauchs sowie des Eintrags von Nitraten (v. a. aus Mineraldüngern) und Pestiziden in die Umwelt. Die ökologische Landwirtschaft wird somit durch den geringeren "Zwang" zu hohen Erträgen eher weltweit realisierbar.
2. Ökologisch erzeugte Lebensmittel
Zur Vertiefung dieses Themas sei auf das Portal oekolandbau.de verwiesen.
Es gibt eine Reihe von Studien, die für die ökologische Landwirtschaft in vielfacher Hinsicht eine deutlich geringere Umweltbelastung im Vergleich zur konventionellen nachweisen:
- niedrigerer Primärenergieverbrauch: pro Hektar Nutzfläche nur ein Drittel
- geringere Emissionen von Treibhausgasen: pro kg Produkt nur die Hälfte
- bessere Bodenqualität
- größere Artenvielfalt
- verminderte Schadstoffbelastung des Oberflächen- und Grundwassers.
In einer schweizer Studie wurden die Umweltwirkungen von Lebensmitteln in den Bereichen Gemüse und Fleisch entlang des gesamten "Lebensweges" im Ernährungssystem mittels einer modularen Ökobilanz abgeschätzt und bewertet. Danach betrug der Mittelwert der gesamten Umweltbelastungen, die durch den Anbau bedingt sind, beim untersuchten Bio-Gemüse nur etwa ein Drittel bis ein Viertel des Wertes von konventionellem Gemüse (d. h. letzteres lag etwa 3,5-mal höher). Bei biologischer Fleischproduktion war der Mittelwert nur rund halb so hoch wie bei konventionell erzeugtem Fleisch.
In Öko-Lebensmitteln lassen sich nach heutigem Wissensstand nicht generell höhere Nährstoffgehalte feststellen als in konventionellen Erzeugnissen. Nur bei einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen wurden höhere Werte in ökologischem Gemüse und Obst gefunden, z. B. Vitamin C, Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen.
Heute wird angenommen, dass so genannte sekundäre Pflanzenstoffe, zu denen viele Farb- und Geschmacksstoffe von Pflanzen sowie Pflanzenhormone gehören, das Risiko für Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen senken können. Diese Stoffe können in Gemüse und Obst aus ökologischem Landbau in größerem Umfang vorkommen als in solchem aus konventioneller Produktion. Die gesundheitliche Bedeutung dieser Substanzen kann heute jedoch noch nicht eindeutig beurteilt werden.
Rückstandsuntersuchungen zeigen, dass der Nitratgehalt in Gemüse aus ökologischer Landwirtschaft im Durchschnitt nur knapp halb so hoch liegt wie bei konventionellen Vergleichsprodukten.
In zahlreichen Untersuchungen wurde außerdem festgestellt, dass Rückstände von Pestiziden in Produkten aus ökologischer Landwirtschaft minimal – wenn überhaupt – vorkommen. Wenn Pestizidrückstände nachweisbar sind, ist dies meist eine Folge von Verwehungen oder so genannten Hintergrundbelastungen der Böden von früheren Anwendungen.
Eine Untersuchung der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft von 1990 bis 1999 zeigte, dass sich für die Mehrzahl der untersuchten Betriebe die Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise gelohnt hat. Allerdings fiel in Deutschland die Gewinnentwicklung der Öko-Landwirte in den letzten Jahren unter die der konventionellen Berufskollegen zurück – wobei die Gewinne in der gesamten deutschen Landwirtschaft langfristig rückläufig sind.
Die ökologische Wirtschaftsweise trägt damit zu einer stabileren ökonomischen Existenzgrundlage für die Landwirte bei.Unter anderem in Folge des höheren Arbeitsaufwands und der niedrigeren Erträge sowie der dadurch zu finanzierenden Arbeitsplätze erklärt sich, warum ökologisch erzeugte Lebensmittel höhere Verbraucherpreise erzielen, d.h. "teurer" sind als konventionelle. Zur Vertiefung des Themas "Preise" siehe Grundsatzartikel "Die Preisfrage".
Die in der Regel höhere Überschaubarkeit der eher kleinen, regionalen Strukturen im Bereich ökologisch erzeugter, verarbeiteter und gehandelter Lebensmittel ist geeignet, zu mehr Kontakt, Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein der Beteiligten untereinander beizutragen. Damit wird auch eine nachhaltigeEsskultur im erweiterten Sinne unterstützt.
3. Regionale und saisonale Produkte
Lebensmittel, die heute in Supermärkten angeboten werden, stammen großenteils nicht mehr aus der umliegenden Region und entsprechen oft auch nicht mehr der jeweiligen Jahreszeit. So sind beispielsweise Bananen aus Südamerika, Kiwis und Äpfel aus Neuseeland oder grüner Salat aus Treibhausanbau im Winter längst die Regel. Am Angebot von Gemüse und Obst ist kaum mehr zu erkennen, welche Jahreszeit gerade ist.
Zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung erfolgen heute umfangreiche Transporte. Die insgesamt pro Person verbrauchte Lebensmittelmenge zeigte in den letzten Jahren kaum Veränderungen, während sich das Transportaufkommen, d. h. die Menge der insgesamt transportierten Lebensmittel, in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelte. Gründe dafür sind vor allem Konzentrationsprozesse in Lebensmittelhandel und -industrie sowie Konzentration und Spezialisierung im Bereich der Landwirtschaft.
Besonders umweltbelastend sind Transporte mit dem Flugzeug: Bei Übersee-Importe entstehen pro kg Lebensmittel bis zu 170-mal mehr Emissionen als bei einem Transport mit Seeschiffen. Die Transporte mit dem Flugzeug verursachen demnach eine extrem hohe Umweltbelastung. Als Konsequenz hieraus ergibt sich, flugimportierte Ware möglichst nicht zu kaufen.
Der Einkauf von "saisonalen Produkten" bedeutet, bei frischem Gemüse und Obst solche Arten auszuwählen, die in unserer Klimazone während der gerade aktuellen Saison ausreifen können.
Selbstverständlich bezieht sich die Empfehlung zur Berücksichtigung der Saisonzeiten auf den Anbau im Freiland. So sollten im Winter beispielsweise kein grüner Salat und keine Tomaten aus Anbau im beheiztenTreibhaus oder Folientunnel gekauft werden, denn für das Heizen ist ein sehr hoher Primärenergieeinsatz erforderlich. So wird im Treibhaus 34-mal mehr Primärenergie verbraucht als im Freiland, im Folientunnel sogar 200-mal mehr. Die entsprechenden CO2-Emissionen liegen 18 bzw. über 100-mal höher. Der ökologische Freilandanbau stellt die Anbauform mit dem niedrigsten Primärenergiebedarf dar, nämlich nur 20 % des konventionellen Anbaus im Freiland, die Emissionen von CO2-Äquivalenten liegen nur bei 40 %.
Die Direktvermarktung innerhalb einer Region (Ab-Hof-Verkauf, Bauernmärkte, Abokisten, Lieferdienste, Kooperationen mit Gastronomie und anderen Großverbrauchern) trägt zur Existenzsicherung heimischer kleiner und mittlerer Landwirtschaftsbetriebe bei. Dies führt zur Erhaltung der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft und unterstützt die Eigenständigkeit und Vielfalt des Lebens und Wirtschaftens einer Region. Entsprechendes gilt für die heimischen Verarbeiter und Händler von regionalen Lebensmitteln.
Zur Verminderung der geschilderten Transporte sollten Lebensmittel aus regionalen Anbaugebieten gegenüber Produkten von weit her bevorzugt werden. Gemüse und Obst, das in derjenigen Region wächst, in der es auch verzehrt wird, kann voll ausreifen, da es nur kurze Transportwege zu überstehen braucht und nicht vorzeitig in unreifem Zustand geerntet werden muss. Ausgereifte Erzeugnisse schmecken in der Regel besser, da sich die Aromastoffe natürlicherweise vollständig ausbilden können.
4. Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel
Dieser Grundsatz ist schon aus der Antike von Hippokrates überliefert und wurde im letzten Jahrhundert besonders von Bircher-Benner, Kollath, Bruker und Anemueller vertreten. Die grundlegenden Arbeiten von Kollath beinhalten primär, dass bei gering verarbeiteten Lebensmitteln die Wahrscheinlichkeit am größten ist, dass alle für Leben, Fruchtbarkeit, Gesundheit und Wohlbefinden notwendigen Inhaltsstoffe noch in vollem Umfang enthalten sind. Denn bei den meisten Verfahren der Lebensmittelverarbeitung werden wertvolle Inhaltsstoffe vermindert, zerstört oder abgetrennt, d. h. die Nährstoffdichte (z. B. mg Vitamin B 1/ 1000 kJ) wird herabgesetzt und die Energiedichte (z. B. 1000 kJ/ 100 ml) häufig erhöht. Beispiele sind Vitaminverluste beim Erhitzen der Lebensmittel oder die Abtrennung essenzieller Nährstoffe bei der Auszugsmehlherstellung.
Lebensmittel sollten nur in dem Maße verarbeitet werden, wie es zur Gewährleistung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit sowie der Genussfähigkeit und Bekömmlichkeit erforderlich ist. So müssen beispielsweise Kartoffeln erhitzt werden, damit die Stärke verkleistert und verdaulich wird. Auch Hülsenfrüchte sollten erhitzt werden, um toxische Inhaltsstoffe zu zerstören. Viele Lebensmittel, vor allem die meisten pflanzlichen, lassen sich jedoch unverarbeitet oder wenig verarbeitet verzehren.
Zur Frischkost zählen alle in unerhitzter Form verzehrsfähigen und genießbaren pflanzlichen und z. T. auch tierischen Lebensmittel. Als Orientierung gilt, dass etwa die Hälfte (ein bis zwei Drittel) der Nahrungsmenge als unerhitzte Frischkost verzehrt werden sollte (je nach Vorliebe, Bekömmlichkeit und Jahreszeit). Für empfindliche oder ältere Menschen kann ein geringerer Frischkostanteil empfehlenswert sein. Der größte Teil hiervon sollte frisches Gemüse und Obst sein, der verbleibende Teil Kräuter, unerhitztes Getreide, Keimlinge, Nüsse, Ölsamen, Ölfrüchte, Kaltgepresste, nicht raffinierte Öle, Vorzugsmilch, unerhitzte Sauermilchprodukte u. a. (s. Abb. Empfehlung zur Aufteilung von unerhitzter Frischkost und erhitzter Kost).
Diese Empfehlung lässt sich umsetzen, indem reichlich Salate aus frischem Gemüse und Obst in allen Variationen (auch in milchsaurer Form wie Sauerkraut) verzehrt werden. Zusätzlich bietet sich ein Frischkornmüsli mit Früchten, Nüssen, Samen und Vorzugsmilch oder unerhitzten Sauermilchprodukten an. Für Zwischenmahlzeiten eignen sich hervorragend frisches Gemüse und Obst sowie Nüsse und Samen.
Unerhitzte Frischkost bietet gegenüber erhitzter Kost zahlreiche Vorteile. Mit ihr werden die in den Lebensmitteln enthaltenen essenziellen und gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe in nahezu ursprünglich vorhandener Menge zugeführt, da sie nicht durch Hitzeeinwirkung oder Auslaugen ins Kochwasser vermindert werden. Dies gilt auch für bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, die teilweise flüchtig, hitzelabil oder oxidationsempfindlich sind; z. B. hitzeempfindliche Phenolsäuren, die antikanzerogen wirken können. Auch die Ballaststoffe haben in unerhitzter Form eine stärkere Wirksamkeit.
Gleichzeitig ist der Energiegehalt von Frischkost in der Regel deutlich niedriger als der anderer Mahlzeiten und die Sättigungswirkung trotzdem meist höher, womit die Gesamt-Energieaufnahme gesenkt werden kann. Günstig ist es daher, unerhitzte Frischkost als Vorspeise (oder auch als komplette Mahlzeit) zu verzehren.
Eine geringe Lebensmittelverarbeitung erfüllt wegen der weitgehend unterbleibenden Verarbeitungsschritte die ökologischen Forderungen nach einer Verminderung des Primärenergieverbrauchs sowie nach niedrigeren Emissionen, z. B. an CO 2-Äquivalenten und SO 2-Äquivalenten.
Die Entwicklung zu sog. Convenience-Produkten, d. h. vorgefertigten Speisen, unterstützt die zunehmende zeitliche Anpassung der Lebensmittelzubereitung und des Speisenverzehrs an eine beschleunigte Lebens- und Arbeitswelt. Unter anderem durch veränderte Berufstätigkeit und verschobene Prioritäten fehlt vielen Menschen oft die Zeit für die eigene Nahrungszubereitung. Bei der Verwendung von Convenience-Produkten geht jedoch der Bezug zu den zugrunde liegenden Lebensmitteln, d. h. zu den landwirtschaftlichen Rohprodukten, verloren.
Der Trend im Ernährungsbereich geht zu einer immer stärkeren Verarbeitung von Lebensmitteln. Dabei werden neben Reinigungs-, Zerkleinerungs- und Konservierungsprozessen inzwischen auch vermehrt einzelne Lebensmittel-Bausteine zu vielfältigen neuen Produkten zusammengesetzt, sog. DesignerFood.
5. Ressourcenschonendes Haushalten
Ökostrom:Die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln sowie Tätigkeiten im Haushalt, wie Kühlung und Zubereitung der Lebensmittel und Geschirrspülen, verbrauchen viel Energie. Stammt die Energie aus Kohle, Erdgas oder Erdöl, werden indirekt viele Treibhausgase erzeugt. Beim Strom aus unserer Steckdose handelt es sich um einen Mix aus der Erzeugung unterschiedlicher Energieträger (Abb. 6, links). Durch die Bereitstellung des in Deutschland im Jahr 2011 verbrauchten Stroms entstanden rund 570 g CO2-Äquivalente pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Beim durchschnittlichen Jahres-Stromverbrauch in Deutschland von 1.720 Kilowattstunden ergibt sich damit rund eine Tonne CO2-Äquivalente pro Person und Jahr. Allein durch den Stromverbrauch wird somit schon die maximal vertretbare Menge von einer Tonne an individuellen Treibhausgas-Emissionen erreicht.
Die weltweiten Reserven fossiler Energieträger sind begrenzt, was zur Verteuerung sowie zur Zunahme inner- und zwischenstaatlicher Konflikte führen dürfte. Eine klimaschonende, ungefährliche und nachhaltige Möglichkeit der Stromerzeugung bietet die Nutzung erneuerbarer Energien (Abb. 6, rechts). Insbesondere Energie aus Wind, Wasser, Sonne und Erdwärme ist unbegrenzt verfügbar. Mit dem Wechsel zu einem Ökostrom-Anbieter, der in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert, werden zukunftsfähige Technologien der Stromerzeugung unterstützt und klimaschädliche Treibhausgase auf ein Minimum reduziert. Ein Anbieterwechsel ist sehr einfach und schnell durchführbar, ohne Komfortverlust und meist nicht oder nur unwesentlich teurer – aber er ist ein wichtiges politisches Signal für die notwendige Energiewende und für den Klimaschutz.
Energiesparen: Trotz Nutzung von Ökostrom im Haushalt lohnt es sich, Energie und somit Geld zu sparen. Durch die Anschaffung von neuen energieeffizienteren Haushaltsgroßgeräten (Kühl- und Gefriergeräte, Backöfen, Geschirrspüler, Waschmaschinen) können oftmals langfristig Stromkosten gespart werden. Und es werden außerdem schädliche Treibhausgase vermieden. Voraussetzung dafür ist, dass das alte Gerät nicht andernorts weitergenutzt wird.
Die meisten Haushaltsgroßgeräte tragen das EU-Energielabel. Auf diesem Zeichen sind unter anderem die jeweiligen Verbrauchswerte für Strom und Wasser abzulesen, die mit Hilfe von Buchstabenklassen bewertet werden. Ein Kühlschrank der höchsten Energieeffizienzklasse – also dem geringsten Stromverbrauch – trägt zum Beispiel die Kennzeichnung A+++. Ein Kühlschrank der Energieeffizienzklasse A verbraucht dem gegenüber bis zu 60 % mehr Strom pro Jahr. Ist der Kühlschrank älter als zehn Jahre, lohnt sich in der Regel der Kauf eines neuen Gerätes mit einer Energieeffizienzklasse von mind. A++. Der über die Nutzungsdauer eines energieeffizienteren Gerätes eingesparte Strom ist bares Geld wert und kann teilweise die höheren Anschaffungskosten ausgleichen.
Natürlich lohnt sich auch das Energiesparen im Haushalt bei vielen alltäglichen Gelegenheiten, also beim Kochen und Backen, beim Kühlen und Tiefkühlen sowie beim Geschirrspülen. Hier gibt es zahlreiche Tipps z. B. der Verbraucherzentralen.
Einkaufswege: Viele Verbraucher benutzen das Auto für ihre Einkaufsfahrten, was eine erhebliche Umweltbelastung zur Folge hat. Gerade bei kurzen Fahrten, also auf den ersten Kilometern, verbraucht ein Auto überdurchschnittlich viel Sprit. Selbst ein Einkauf, der aus ökologischen, regionalen und saisonalen Produkten besteht und somit klimafreundlich ist, kann durch eine Autofahrt diese CO2-Einsparung wieder zunichtemachen. Im Gegensatz dazu können durch Einkaufsfahrten mit Bus oder Bahn bis zu zwei Drittel der Treibhausgas-Emissionen vermieden werden. Am besten ist natürlich die klimaneutrale Variante des Einkaufens: zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Lebensmittelverschwendung: Von den Lebensmitteln, die weltweit für den menschlichen Verzehr produziert werden, gehen jährlich etwa ein Drittel (1,3 Milliarden Tonnen) verloren. In Entwicklungsländern entstehen häufig Verluste direkt nach der Ernte, noch bevor sie auf den Markt kommen. Hier bei uns in Deutschland sind es etwa elf Millionen Tonnen Lebensmittel, die jedes Jahr in den Müll geworfen werden. Die privaten Haushalte sind daran zu rund zwei Dritteln beteiligt, nämlich mit durchschnittlich gut achtzig Kilogramm Lebensmittel jährlich – im Wert von 235 Euro pro Haushalt und Jahr. Davon sind rund zwei Drittel noch verzehrfähig. Außerdem tragen auch Gaststätten, Kantinen, (Hoch-)Schulmensen sowie die Lebensmittelindustrie zur Lebensmittelverschwendung bei. Da jedes weggeworfene Lebensmittel während seiner Erzeugung Energie, Rohstoffe, Wasser und Landfläche benötigt und Klimagase verursacht hat, sollte es auch verzehrt und nicht weggeworfen werden. Besonders angesichts weltweit etwa 840 Millionen Hungernder ist diese Verschwendung von Lebensmitteln ethisch nicht verantwortbar. Ein Grund hierfür ist in unseren Ländern sicherlich die mangelnde Wertschätzung von Lebensmitteln. Gut ist, sich in Hofläden oder auf Wochenmärkten im Gespräch mit Produzenten ein Bild zu machen, von wem und wie die Erzeugnisse angebaut wurden und wie viel Mühe damit verbunden ist (z. B. bei Hofbesichtigungen, die auch für Schulen angeboten werden). Dies kann zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln führen und das Verschwenden beenden.
Verpackung: In Deutschland werden jährlich rund zwölf Millionen Tonnen Verpackungsmüll weggeworfen, was etwa 145 kg pro Person entspricht. Die Verpackungen von Lebensmitteln tragen erheblich zu unseren Müllbergen bei. Im globalen Maßstab landet ein beträchtlicher Teil des Verpackungsmülls in der Umwelt und trägt zur Verschmutzung von Landschaften, Flüssen, Seen und Meeren bei – und gefährdet auch Menschen und Tiere.
Durch die Vermeidung von mehrfach verpackten Produkten sowie von Waren in Kleinst- und Einwegverpackungen kann Müll vermindert werden. Vorteilhafter sind unverpackte Erzeugnisse bzw. solche in Mehrwegverpackungen. Frische Lebensmittel auf dem Wochenmarkt sind kaum verpackt – besonders viele Gemüse- und Obstarten sowie Kartoffeln lassen sich gut ohne oder in von Verbrauchern selbst mitgebrachten Tüten oder Behältern nach Hause transportieren. Beim Einkauf im Supermarkt hingegen sammelt sich eine große Menge an Verpackungen an. Diese dienen zwar dazu, dass Lebensmittel nicht so schnell verderben – und helfen damit, eine erhebliche Nahrungsverschwendung zu vermeiden. Durch den Ressourcenverbrauch bei der Herstellung der Verpackungen, vor allem aber bei deren „Entsorgung“ als Müll, ergeben sich jedoch unübersehbare Umweltprobleme. Bei unverarbeiteten Grundnahrungsmitteln entfallen auch die aufwändigen Transportverpackungen zwischen den einzelnen Produktionsstufen in verschiedenen Betrieben.
6. Fair gehandelte Lebensmittel
Eine Möglichkeit für Verbraucher, einen Beitrag zur Unterstützung der Produzenten in Entwicklungsländern zu leisten, ist der Kauf von Lebensmitteln aus Fairem Handel mit Entwicklungsländern. Der Faire Handel ist ein alternativer Ansatz zum konventionellen Handel. Er ist eine Handelspartnerschaft, die eine nachhaltige Entwicklung für ausgeschlossene und benachteiligte ProduzentInnen anstrebt. Er versucht das durch die Gewährung besserer Handelsbedingungen, durch Bewusstseinsbildung und Kampagnen.
Der bekannteste Aspekt des Fairen Handels ist der "faire Preis". Er ist keine festgelegte Größe, sondern Ergebnis eines Diskussionsprozesses. Er soll die Produktionskosten einschließlich Sozial- und Umweltkosten decken und den Produzenten ein menschenwürdiges Leben ermöglichen und Investitionen in die Zukunft eröffnen.
Unabhängig von den großen Marktschwankungen bei Rohstoffen wird ein Mindestpreis vereinbart. Dies ist besonders bei Rohkaffee aufgrund des dramatischen Preisverfalls an den Rohstoffbörsen seit den 1970er Jahren für die Produzenten überlebenswichtig. Die Preisstabilität ermöglicht ihnen eine größere Planungssicherheit. Für Kaffee und Bananen beispielsweise wird den Produzenten mehr als das Doppelte des Weltmarktpreises gezahlt.
Soziale und ethische Anliegen stellen neben den ökonomischen Aspekten die Hauptmotivation für den Fairen Handel dar. Ziel ist die Förderung von menschenwürdigen Lebensverhältnissen und Entwicklungschancen, insgesamt geht es um weniger Ausbeutung und ein höheres Maß an Selbstbestimmung. Dazu zählen auch humane Arbeitsbedingungen, insbesondere das Verbot der Kinderarbeit.
Obwohl Kinderarbeit eine Menschenrechtsverletzung darstellt, zwingt unter anderem die Armut in Entwicklungsländern nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation 250 Mio. Kinder unter 14 Jahren zur Arbeit, etwa die Hälfte davon als Ganztagsbeschäftigte.
Beim Fairen Handel werden aus den Einnahmen unter anderem Sozialprogramme in Entwicklungsländern finanziert. Beispiele hierfür sind der Bau von Schulen und Gesundheitseinrichtungen, die Einführung von Sozialversicherungen für die Arbeiter sowie Versicherungen für den Produktionsausfall der Erzeuger.
Der Faire Handel verband von Anfang an die Unterstützung von benachteiligten Kleinbauern in Entwicklungsländern mit intensiver Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeitin den Industrienationen. Im Vordergrund stehen die Informationen über die schweren, teilweise unmenschlichen Produktionsbedingungen der Lebensmittel in Entwicklungsländern. Über diese Bewusstseinsbildung hinaus werden die Verbraucher auch verstärkt emotional für die nachhaltigeren Produkte des Fairen Handels angesprochen.
In letzter Zeit gab es verstärkt Bemühungen, den Fairen Handel und den ökologischen Landbau zusammenzuführen, um damit eine konsequente Verfolgung von Gerechtigkeits- und gleichzeitig Umweltschutzzielen zu erreichen.
Eine Verknüpfung von "Öko und Fair" ist darüber hinaus notwendig, um die fair gehandelten Produkte aus Entwicklungsländern – neben den traditionellen kleinen "Welt-Läden" – auch im Naturkosthandel platzieren zu können. Denn dort ist der ökologische Anbau in der Regel Voraussetzung für die Aufnahme in das Sortiment. Daher wurden in den letzten Jahren erhebliche Investitionen in die Umstellung auf eine ökologische Produktionsweise getätigt.
7. Genussvolle und bekömmliche Speisen
Die Ernährungsökologie stellt weit reichende Ansprüche an die Ernährungsweise. Bei aller Vernunft bezüglich der eigenen Gesundheit und der Umwelt – sowie bei aller Solidarität gegenüber anderen Menschen – ist der Genuss beim Essen besonders wichtig. Spaß und Lebensfreude sind selbstverständlich auch beim Essen anzustreben.
Der Genuss eines Lebensmittels wird erst durch eine angemessene Zeit beim Essen und Trinken ermöglicht. Ohne ein wohlwollendes, durchaus ökonomisches, Verständnis von Zeit und Tempo wird der Blick für das Nahe liegende und Besondere verstellt. Genuss braucht Zeit; das gilt für das Ausreifen der Früchte, das Wachstum der Tiere und das Reifen von Käse oder Fleisch(-Erzeugnisse) genau so wie für die Gesundheit des Menschen. Sich Zeit nehmen beim gemeinsamen Mahl zeigt, dass die Erfahrung gelebter Zeit wertvoller sein kann als die Erfahrung gesparter Zeit.
Zwischen dem Genuss beim Essen und den gesundheitlichen Empfehlungen gibt es aber keinen Widerspruch – und auch nicht zu den ökologischen, ökonomischen und sozialen Erfordernissen. Im Gegenteil, in der Vollwert-Ernährung können sogar neue Geschmackserlebnisse ermöglicht werden, beispielsweise durch bisher nicht verwendete oder in Vergessenheit geratene Getreidearten (wie Dinkel, Grünkern und Hirse), Gemüsearten (wie Kürbis und Pastinaken), Hülsenfrüchte, Gewürze und Kräuter. Auch einige Zubereitungsarten dürften eine Erweiterung des Speiseangebots darstellen, z. B. Getreide-Gemüse-Aufläufe oder die Verwendung von geeigneten Gemüsearten als unerhitzte Frischkost.
Allein die Freude über ein gut abgeschmecktes Essen, verbunden mit gesteigertem Wohlbefinden, positivem Denken und Lebensgenuss übt schon gesundheitsförderliche Wirkungen auf Körper und Seele des Menschen aus.
Genuss und Bekömmlichkeit sind eng miteinander verbunden, denn bekömmliche Speisen steigern den Genuss – umgekehrt können schlecht bekömmliche Speisen den Genuss nachträglich verderben. Bei der Bekömmlichkeit (Verträglichkeit) handelt es sich um das subjektive Empfinden von Menschen nach dem Verzehr von Lebensmitteln.
Es wird empfohlen, dass Jeder die Kost aufgrund seiner eigenen Verträglichkeiten individuell anpasst.
Die Erfahrungen in der Ernährungsaufklärung und Schulung von Multiplikatoren zeigt, dass eine steigende Zahl von – besonders auch jungen - Menschen bereit ist, diese komplexen Zusammenhänge wahrzunehmen und ihre Ernährungsgewohnheiten zu verändern. Und zwar in eine Richtung, die
- geschmacklich ansprechend
- gesundheitlich wertvoll
- ökologisch not-wendig
- sozial verträglich
- kulturell erwünscht
- ökonomisch machbar und
- praktisch durchführbar ist.
Ein besonderes Anliegen des Fachgebiets Ernährungsökologie ist es, die erzielten Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen und Veränderungen zu bewirken. Eine praktische Realisierungsmöglichkeit einer ernährungsökologisch orientierten Ernährungsweise ist die "Vollwert-Ernährung" nach der Gießener Konzeption.